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SchülerWissen „Gesichter und Emotionen“

Sehsinn (Visuelle Wahrnehmung)

Die visuelle Wahrnehmung beschreibt die Aufnahme und Verarbeitung optischer Reize. Den Bereich, den wir dabei mit beiden Augen ohne deren Bewegung erfassen können, bezeichnet man als Gesichtsfeld (180-200° Sehwinkel, 120° binokular). Innerhalb des fixierten Bereichs ist die Sehschärfe am größten, während sie zu den Seitenbereichen hin abnimmt. Den Aufbau des Auges kannst du Abbildung 3 entnehmen.

Die Sammellinse bündelt das ins Auge einfallende Licht, welches am hinteren Ende des Augapfels auf die Netzhaut (Retina) fällt. Auf der Netzhaut entsteht so ein verkleinertes und auf dem Kopf stehendes Bild der Umwelt. Die menschliche Retina enthält Lichtsinneszellen (Photorezeptoren), Bipolarzellen, Ganglienzellen sowie die lateralverschaltenden Horizontal- und Amakrinzellen (Abbildung 4). Das einfallende Licht passiert dabei zunächst die Schichten der Nervenzellen, bevor es auf die Photorezeptoren fällt. Diese können in Zapfen (~5.000.000) und Stäbchen (~120.000.000) differenziert werden. Die Zapfen nehmen das Farbspektrum des Lichts wahr. Sie bündeln sich im Bereich des gelben Flecks (~2 mm), in dem die Fovea centralis (zentrale Sehgrube) liegt und die Stelle des schärfsten Sehens bildet. Zur Peripherie hin nimmt die Dichte der Zapfen rasch ab. Außerhalb der Fovea überwiegen die Stäbchen, welche die Lichtintensität wahrnehmen.

Die Photorezeptoren wandeln das einfallende Licht in elektrische Nervensignale um (Phototransduktion), deren Informationen über die Zellen der Netzhaut und schließlich über den Sehnerv (Nervus opticus) an das Gehirn weitergeleitet werden. Der Sehnerv bildet sich aus den gebündelten Axonen der Ganglienzellen. Die Austrittsstelle des Sehnervs aus dem Auge wird als „blinder Fleck“ (~1,8 mm) bezeichnet, da hier keine Photorezeptoren liegen. Die daraus resultierende fehlende Bildinformation wird aber von der Bildinformation des anderen Auges kompensiert. Über den Sehnerv zieht die Sehbahn in den primären visuellen Cortex (V1) im Großhirn.

Auf die Verarbeitung im visuellen Cortex folgend gibt es zwei sekundäre Verarbeitungspfade (Abbildung 5): Ein ventraler Pfad (Was?-Pfad) ist in erster Linie für die Objekterkennung, sowie z. B. die Form und Farbe zuständig. Der dorsale Pfad (Wo?-Pfad) verarbeitet wo sich ein Objekt im Raum befindet. Über diese Verarbeitungen können wir z. B. Helligkeiten und Farben unterscheiden sowie Formen und Gestalten differenzieren. Aber auch die visuelle Wahrnehmung ist keine 1:1‑Abbildung der Umwelt, sondern das Ergebnis der neuronalen Verarbeitung und Verrechnung von Auge und Gehirn. Die Wahrnehmung wird beispielsweise von dem umgebenden Umfeld beeinflusst. Weiterhin wird die visuelle Information mit Erfahrungen, die als Referenz dafür dienen, wie etwas auszusehen hat, abgeglichen (siehe z. B. Abbildung 6). Optische Täuschungen können Aufschluss darüber geben, zu welchen Verrechnungsprozessen es bei der visuellen Verarbeitung kommt. Ein Beispiel zeigt die Schachbrett-Illusion in Abbildung 7. Dort haben die Felder A und B dieselbe Farbe, wir nehmen diese aber unterschiedlich wahr. Die optische Täuschung entsteht aus zwei Gründen: 1. die Erfahrung sagt uns, wie ein Schachbrett aussieht und wir erwarten regelmäßig abwechselnde helle und dunkle Felder; 2. unser Gehirn verrechnet Schatten und Licht, sodass das Feld im Licht (A) dunkler und das Feld im Schatten (B) heller nachberechnet wird.